Seit vier Jahren leite ich nun gemeinsam mit meiner Frau die Vineyard Wien. Und habe als Leiter verschiedene Aufgaben. Die wichtigste Aufgaben sind zweierlei: Einerseits von Gott zu hören, in welche Richtung sich die Gemeinde längerfristig weiter entwickeln soll, und welche Schritte dazu als nächstes notwendig sind. Und andererseits mich in jene Menschen zu investieren, die in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen können, und die dann wiederum andere fördern und ihnen weiterhelfen. Leitung ist also zuallererst eine strategische und keine administrative Aufgabe. Auf gewisse Weise bin ich damit in meinem Traumjob angelangt. Warum?

Als ich mit 19 zu Jesus fand – oder Jesus mich fand – so genau kann ich das nicht sagen – war es unter jungen Christen erklärtes Ziel, irgendwann im Vollzeit für eine Kirche oder ein Christliches Werk zu arbeiten. Das war unser aller Traum, das war damals richtig „cool“. Wer dort angekommen war, der hatte es „geschafft“. Ich dachte mir schon damals: Wow, das will ich! Denn irgendwie ist das die einzige Arbeit, die wirklich Sinn hat. Alles andere ist sicher ganz nett, aber im Dienst für Gott zu stehen, das war für mich damals das Größte, was ich mir vorstellen konnte. Dann wurde ich älter, dann traten jene auf, die sagten: Liebe junge Leute, nicht jede/r von euch kann irgendwann in einem christlichen Job stehen, es braucht auch in den „normalen“ Berufen Christen, die dort ihre Frau oder ihren Mann stehen, und die dort Hoffnungsträger sind, und die dort ihren Dienst für Gott leben. Brav und folgsam wie ich war dachte ich: Ok, dann eben nicht, und vertrat von nun an die Meinung, dass es doch viel wichtiger ist, dass wir „in der Welt“ stehen und uns nicht in eine „christliche Blase“ zurückziehen. Dazu stehe ich noch heute. Und dennoch erlebte ich es in den ersten fünf Jahren, in der ich in verschiedenen Firmen in der Druckereibranche arbeitete, dass ich alljährlich die Sinnkrise bekam. Ich hatte zuletzt einen richtig guten und abwechslungsreichen Job in einer guten Firma, und trotzdem fühlte ich mich irgendwie neben der Spur. Fremd. Nicht dort, wo ich sein sollte. Ich bin froh, dass ich die Wirtschaft kennengelernt habe, ich habe dort viel gelernt was mir bis heute hilft, aber es war nicht meine Welt.

Der Schritt in den Sozialbereich in meinen jetzt nur noch Teilzeitjob als Behindertenbetreuer bei Jugend am Werk war der erste in die richtige Richtung. Ich bin jemand, der in der Arbeit mit Menschen zuhause ist. Und dort merkte ich, wie Gott mich gestrickt hatte: Ich mag Menschen einfach. Ich mag „meine“ Behinderten, bis heute. Für mich sind das interessante, spannende, immer wieder schräge Menschen, die alle ihre Eigenheiten haben,  die ich aber trotz allem (denn nein, der Beruf ist keineswegs immer einfach) einfach mag. Ich habe dort viel Gelassenheit gelernt, das hilft mir sehr, aber der Hauptgrund warum ich diese Arbeit bis heute gerne mache ist meine Liebe zu diesen Menschen.

Und trotzdem fehlte mir dort etwas. Ich mag diese Arbeit bis heute, aber die alleine wäre mir zu wenig. Ich fühlte mich unausgelastet, ich wollte irgendwie mehr. Und dann kam der Dienst in der Kirche. Ich fing um 2010 mit meiner ersten Predigt an. 2011 kam ich ins damalige erweiterte Leitungsteam der Vineyar Wien, wir leiteten bei uns daheim eine Gebetsgruppe die im Rückblick ihre Schwächen hatte aber dennoch recht gut lief. Und 2014 waren meine Frau und ich plötzlich Hauptleiter einer kleinen Gemeinde mit 30 Leuten und standen vor der Herausforderung, wie wir diese Gruppe in eine gute Zukunft führen können. Und spannenderweise fühlte ich mich plötzlich wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Ich war damals ziemlich ahnungslos, ich bin unglaublich froh, dass ich bald danach eine solide Leiterschulung durchmachte, ohne die wäre es ein ziemlicher Blindflug geworden. Und immer wieder merkte ich, wie leicht mir die Dinge von der Hand gehen. Dass mir strategisches Denken, Planen, eine Vision weiterzuentwickeln sehr leicht fällt. Wie gerne ich mich in Menschen investiere, und wie schön es für mich ist, wie Gott mich dabei verwendet. Und bin auf diese Art doch noch in dem Beruf gelandet, von dem ich mit 19 Jahren als junger Christ geträumt habe.

Immer wieder sagen mir Menschen Dinge wie: „Ja, ich weiß eh, es ist schwer…“ Und irgendwie ist mir nicht wohl dabei. Denn meine Arbeit ist mir ja keine Last. Natürlich ist sie immer wieder anstrengend, fordert viel Zeit von meiner Frau und mir, und natürlich gibt es die Momente, wo es ärgerlich und frustrierend wird. Nur: In welcher Arbeit ist das denn nicht so? Das sind doch ganz normale Dinge, die einem in jedem Beruf begegnen. Ich mag meine Arbeit. Und das allerwichtigste: Ich mag meine Kirche. Ich finde sie toll. Ich mag die Menschen darin. Alle. Nein, die Menschen darin sind nicht perfekt, sie sind genauso fehlerhaft wie ich selbst. Und trotzdem finde ich sind wir ein ziemlich cooler bunter Haufen. Gott hat tolle Dinge in diese Gemeinde hineingelegt. Da sind echte Schätze darin, und nicht alle sind noch verborgen, einige glänzen schon recht deutlich. Unser unverkrampfter und bodenständiger Stil, unseren Glauben zu leben. Ein offener und ehrlicher Umgang miteinander, wo Menschen sich willkommen und angenommen fühlen so wie sie sind. Ein solides theologisches Fundament auf dem wir stehen. Offenheit für den Heiligen Geist. Das Herz am rechten Fleck. Die Bereitschaft, Rauszugehen und für die Menschen da zu sein, die wir gerade entwickeln. Ich habe so viel Hoffnung für uns als Gemeinde. Gott hat uns auf einen guten Weg geführt, und scheinbar war er der Meinung, dass ich in all meiner Schwäche und Fehlerhaftigkeit der richtige Mensch bin, um jetzt in dieser Zeit vorne zu stehen und diesen Prozess anzuleiten.Es gibt nichts schöneres und erfüllenderes für mich, als zu sehen, wie Gott mich dafür verwendet.

Ach ja, ich predigt auch noch. Und auch das ist ein Geschenk. Der Clou ist nämlich der: Am Ende bin ich der, der aus meinen eigenen Predigten am allermeisten lernt. Ich muss mich in den Text vertiefen. Hineinhören, nachfragen, was davon für hier und jetzt relevant ist. Mir Gedanken machen darüber, was Gott da über sich selbst sagt, und wie das mein Bild von ihm verändert. Was Gott darin über mich sagt, wie er mich sieht, und wie das mein Bild von mir selbst verändert. Und was er mir darüber sagt, welche Dinge ich wie ganz praktisch in mein Leben und meinen Alltag integrieren sollte. Immer wieder merke ich nach einer Predigt, wie sehr sie mich selbst verändert. Und bin froh und dankbar, dass ich diese Dinge dann mit anderen teilen darf in der Hoffnung, dass das bei ihnen genauso einen Funken anzündet wie bei mir.