ich lese gerade bill jackson’s geschichte der vineyard-bewegung „the quest for the radical middle“. leider ist dieses buch meines wissens nach nie auf deutsch übersetzt worden, was ich unglaublich schade finde, denn es ist nicht nur für alle, die sich für die vineyard interessieren, eine goldgrube an wissen und weisheit. ich finde, es ist auch für alle, die in der vineyard verantwortung übernehmen wollen, ein ganz zentraler leitfaden, weil bill jackson darin nicht nur das „was“ und das „wie“ erzählt, sonder vor allem das „warum“ erklärt. und damit die zeitlosen prinzipien, die hinter dem stehen, was vineyard lebt und sein will, und warum gott die vineyard-bewegung ins leben gerufen hat.

eine sache, die mich sehr bewegt hat ist, dass mir wieder klar geworden ist, dass es im christentum keine superhelden gibt. wir menschen haben die neigung, persönlichkeiten, die uns beeindrucken, auf ein podest zu stellen, und verlieren dabei immer mehr den blick darauf, dass es sich auch bei unseren „glaubenshelden“ um ganz normale, fehlbare menschen handelt, die genauso ihre nöte haben und kämpfe ausfechten, die genauso versagen und scheitern wie wir alle.

wir sehen das ja schon in der bibel. samson, dem seine charakterschwächen zum fallstrick wurden. david, der mann nach dem herzen gottes, der aus sexueller begierde zum mörder wurde. elisa, der die kinder verfluchte, und die daraufhin alle getötet wurden. petrus, der jesus verleugnet hatte und dann zur führenden autorität unter den ersten christen wurde. paulus, der aus hass menschen foltern und ermorden ließ, bevor er auf dramatische weise von jesus in seinen dienst berufen wurde.

wenn wir uns die menschen in der bibel ansehen, dann werden wir – jesus ausgenommen – nirgendwo die figur eines makellosen helden finden, als die wir menschen so gerne sehen wollen. die bibel beschreibt die handelnden figuren immer als differenzierte personen mit all ihren stärken und schwächen. wir finden dort auch einen könig manasse, der ein furchtbarer herrscher gewesen sein muss der in grausame okkulte praktiken verstrickt war, und trotzdem von gott begnadigt wurde, als er seine schuld einsah und sein leben änderte.

und so ist auch die geschichte der vineyard-bewegung eine geschichte von zerbrochenen menschen, die von gott auf unglaubliche weise verwendet wurden. das fängt bei john wimber an, der alles andere als perfekt war und der nicht nur für seinen außergewöhnlichen weg, sondern auch für seine fehler den preis bezahlen musste. lonnie frisbee, durch den gott auf dramatische weise gewirkt hat, und dem die calvary chapel und die vineyard-bewegung so viel zu verdanken haben, der aber letztlich an seiner tiefen zerbrochenheit aufgrund seiner schwierigen biografie gescheitert ist. (anm: die anmerkung im deutschen wikipedia-eintrag über ihn, dass er wegen seiner verfehlungen aus der geschichte der vineyard getilgt wurde, ist falsch. in allen schriften über die geschichte der vineyard wird lonnie frisbee als eine entscheidende persönlichkeit genannt.) die kansas-city-propheten, die etwas wichtiges in die vineyard-bewegung hineingebracht haben, aber am ende trotzdem in eine andere richtung gingen. mit john arnotts gemeinde in toronto, von der der toronto-segen ausging, war es ähnlich, und ähnlich schmerzhaft.

was lerne ich für mich daraus? was mich getroffen hat war, wie tief dieser menschliche drang, wichtige figuren als makellose helden zu sehen auch in mir verankert ist. verstärkt wird das durch ein ungesundes schwarz-weiß-denken toter religiosität, die es nicht akzeptieren kann, dass gott ganz normale, fehlbare menschen nimmt um durch sie das zu tun, was er will. ich habe neu und tiefer verstanden, wie wenig es gott um „perfektion“ so wie wir menschen sie verstehen geht. ich habe neu und tiefer verstanden, wie unglaublich gnädig und barmherzig gott auf der einen seite ist, und wie weit er auf der anderen seite über den dingen steht. seine gedanken sind wirklich nicht unsere gedanken.

was ich mir wünsche: dass ich – und wir alle – aufhören, mit diesem unseligen „mit dem finger auf andere zeigen“. es ist eine grausame unsitte, wenn wir menschen absprechen, für gott verwendbar zu sein, nur weil sie nicht unseren verdrehten und im grunde bösartigen perfektionsansprüchen genügen. wenn wir ganze kirchen oder bewegungen diskreditieren, weil zentrale leiterfiguren gescheitert sind. ich werde niemals, so lange ich auf dieser welt lebe, den ansprüchen von jesus genügen. so lange ich hier bin werde ich mit meiner zerbrochenheit zurande kommen müssen, und so wie paulus lernen müssen, dass es auf gottes gnade und auf seine kraft angkommt, und nicht auf mein heldentum.

lernen wir doch wieder neu, miteinander so barmherzig umzugehen, wie jesus das mit uns immer schon gemacht hat. nein, jesus schaut nicht weg, wenn wir fehler machen oder immer wieder auf schmerzhafte weise mit unseren charakterschwächen konfrontiert werden. aber auch im scheitern baut uns jesus auf, anstatt uns auch noch den fuß in den nacken zu setzen, wenn wir ohnehin schon gesicht voran im dreck liegen. ja, auch ich habe da noch etwas zu lernen. meine ungeduld und härte, besonders wenn es stressig wird, brauchen noch einiges an schliff. aber ich weiß, dass gottes liebe da ist, und dass seine liebe und seine gegenwart mich verändern werden, je mehr ich mich ihm aussetze. das ist der weg, auf den ich mich gemacht habe, und den ich hoffentlich bis an mein lebensende weiter gehen werde.