Ich habe mich schon einmal zu diesem Thema geäußert, nämlich hier. Seitdem haben ich den Eindruck, dass es nicht besser geworden ist. Und auch, dass es gar nicht so einfach ist, darüber zu sprechen.

Ich werde oft dafür gescholten, wenn ich mich kritisch zu den Gender Studies und den heutigen Geschlechterbildern äußere. In der Regel liegt dem ein Missverständnis zu Grunde, für das ich natürlich auch selbst verantwortlich bin, wenn es mir nicht gelingt, das, was ich meine, verständlich rüberzubringen.

Die Sache ist nämlich folgende: Ich sehe die Anliegen hinter dem Feminismus und hinter den Gender Studies. Und diese Anliegen halte ich für absolut wichtig und notwendig, damit wir uns zu einer gesünderen Gesellschaft entwickeln. Es darf nicht sein, dass Frauen als „unterlegen“ dargestellt werden, nur weil sie anders sind. Es darf nicht sein, dass Menschen ungefragt in Rollenbilder gedrängt werden, die ihnen nicht entsprechen. Und es geht schon gar nicht, dass Menschen, deren Sexualität nicht der großen Mehrheit entspricht, ausgegrenzt und diskriminiert werden. Die Ablehnung, der Hass und die Gewalt, denen diese Menschen bis heute ausgesetzt sind, sind für mich genauso unerträglich wie für jeden anderen normal empfindenden Menschen.

Womit ich aber zum Teil ein großes Problem habe, sind nicht nur die Lösungen, die diese Strömungen vorschlagen, sondern noch mehr die Mittel, mit denen sie ihre Ansichten durchsetzen wollen.

Ich kann nicht mit mit jenem Teil des Feminismus, der Männlichkeit aufgrund männlicher Fehler und Schwächen als etwas grundsätzlich Negatives darstellt. Diese Überzeugung ist leider weiter verbreitet als vielen bewusst ist, und kommt in der Regel über die gleichen verdeckten Botschaften daher wie die Abwertung von Frauen. Wenn in Familienserien etwa die Väter oft als inkompetent dargestellt werden. Wenn von toxischer Männlichkeit gesprochen wird, aber nicht von männlichen Stärken. Wenn männliches Verhalten (stärkerer Bewegungsdrang, Drang zu Wettbewerb und Kräftemessen, etc.) ab der Grundschule als negativ gesehen und sanktioniert wird. Ich verstehe, dass dieses Verhalten Pädagoginnen fremd ist. Meiner Frau ist diese Seite in mir ja auch fremd. Deswegen ist sie aber nicht „schlecht“ oder „destruktiv“, sondern gehört einfach nur in gesunde Bahnen gelenkt. Was wesentlich besser gelingt, wenn Buben Männer als positive Rollenvorbilder haben, aber das nur nebenbei.1In migrantischen Communities aus sehr patriarchalen Kulturen sind es z.B. MMA-Kämpfer mit genau diesem Hintergrund, die mit jungen Männern erfolgreiche Workshops gegen Gewalt machen. Auf diese Männer hören die Burschen, denn das sind ihre Vorbilder und Helden.

Ich kann auch nicht mit mit einem Feminismus, der den klassisch männlichen Lebensentwurf als das auch für Frauen anzustrebende Ideal darstellt. Ich finde es tragisch, wie Frauen Weiblichkeit und Mutterschaft zum Teil massiv abwerten und fast schon als „Strafe Gottes“ hinstellen. Liebe Frauen: Erwerbsarbeit ist keineswegs immer Selbstverwirklichung. Nur weil eine kleine Gruppe von Männern sich in der Arbeit über ihre Karriere zu verwirklichen versucht, heißt das noch lange nicht, dass das alle Männer anstreben, und schon gar nicht, dass Männer Erwerbsarbeit immer so erleben. Für viele Männer ist Erwerbsarbeit einfach nur Geld verdienen, oft genug unter nicht unbedingt angenehmen Bedingungen. Männer verdienen auch deswegen Geld, um über ihr Einkommen für den Erhalt ihrer Familien zu sorgen. Genügend Väter leiden genauso wie ihre Frauen und Kinder darunter, dass Familie und Beruf bei uns so schlecht miteinander vereinbar sind, viele Männer würden sich gerne mehr einbringen. Ja, Frauen leisten viel unbezahlte Arbeit. Aber ohne die bezahlte Arbeit ihrer Partner oder Männer hätten sie nichts zu Essen und kein Dach über dem Kopf. Braucht es mehr Bewusstsein bei Männern für die Notwendigkeit sich im Haushalt und noch viel mehr in der Erziehung einzubringen? Unbedingt. So zu tun, als ob die bezahlte Arbeit, die Männer genauso Kraft und Energie kostet, keinen Wert für die Familie hätte, ist aber auch nicht ganz fair.

Genauso zerstörerisch empfinde ich die Überzeugung der Gender Studies, dass so etwas wie eine vorgeprägte Geschlechtlichkeit überhaupt nicht existiert. Das geht so weit, dass man mittlerweile sagt, dass bei Neugeborenen das Geschlecht nicht anhand der Geschlechtsmerkmale festgestellt wird, sondern ihnen ein Geschlecht „zugewiesen wird“, was von einigen sogar als gewaltvoller Akt dargestellt wird. Natürlich weiß ich, dass es eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die sich im falschen Körper fühlen oder sonstwie nicht in das von der Biologie genetisch vorgegebene zweigeschlechtliche Schema hineinpassen. Und dass es eine noch viel kleinere Gruppe von Menschen gibt, bei denen die äußeren Geschlechtsmerkmale uneindeutig sind. Beides ist zu respektieren, und in beiden Fällen darf es nicht sein, dass diese Menschen ausgegrenzt und diskriminiert werden, denn keine von diesen Personen hat sich dieses Schicksal ausgesucht. Wir müssen besonders diesen Menschen, die es nicht leicht haben in einer zweigeschlechtlichen Welt, mit Respekt und Wertschätzung begegnen, und sie hereinnehmen so wie sie sind, anstatt sie auszugrenzen, nur weil sie anders sind als die große Mehrheit.

Aus meiner Sicht ist es aber eine nicht nur untaugliche, sondern sogar eine zutiefst destruktive Lösung, wenn wir uns in Sachen Geschlechtlichkeit von der Naturwissenschaft verabschieden und lieber ziemlich abgehobenen philosophischen Konzepten folgen, die mit dem, was wir über die Auswirkungen unserer Genetik und der Epigenetik auf unseren Körper, unser Denken und unser Empfinden wissen, völlig unvereinbar sind. Wir wissen mittlerweile, dass gar nicht so wenige Verhaltensvorlieben genetisch weitergegeben werden. Und dann behaupten wir ernsthaft, dass der ganz zentrale genetische Unterschied zwischen Männern und Frauen bedeutungslos sein soll? Und das noch dazu, obwohl die Gendermedizin uns seit über 20 Jahren das Gegenteil sagt? Sorry, aber da kann ich nicht mit. Ich halte es für ein Desaster, wenn wir – anstatt Menschen, die nicht ins zweigeschlechtliche Schema hineinpassen in ihrem Anders Sein respektieren und wertschätzen – lieber den Schatz der Zweigeschlechtlichkeit mit all den großartigen Dingen, die sie überall dort hervorbringt, wo Männer und Frauen sich auf Augenhöhe begegnen, in die Tonne treten, nur damit Menschen sich nicht „schlecht fühlen“. Würde Andersartigkeit nicht so negativ gesehen, müsste sich bei uns niemand schlecht fühlen, nur weil er/sie/xxx anders ist. DARAN gilt es zu arbeiten. So zu tun, als ob eine reale Andersartigkeit gar nicht existieren würde, wird das Problem eher nicht lösen.

Das gefährlichste an diesen Strömungen für uns als gesamte Gesellschaft sehe ich jedoch in der Gewalt, die von diesen Gruppen ausgeht. Die Hauptvertreter dieser Denkrichtungen sind heute zu keinerlei Dialog mehr bereit. Es gibt keinen Raum mehr, in dem diskutiert werden könnte, weil sie knallhart schwarz-weiß denken. Sie haben sich in einer Wagenburg aus selbsternannter moralischen Rechtschaffenheit eingebunkert, von der aus sie alles wütend bekämpfen und niedermachen, was „anders“ ist. Kritik an ihren Gedankengebäuden ist nicht mehr möglich, jede Kritik wird von ihnen sofort in eine Bestätigung ihrer eigenen Weltsicht umgedeutet. Wer anders ist, wird mit massiver verbaler Gewalt überschüttet, die auch vor Gewalt- und Morddrohungen nicht zurückschreckt. J.K. Rowling oder Kathleen Stock können ein Lied davon singen. Nein, man muss nicht mit den beiden übereinstimmen, auch ihre Meinungen darf und soll man kritisieren. Tatsächlich stattgefunden hat aber keine sachliche Auseinandersetzung in Form von „Ich sehe das anders, weil…“, sondern brutale verbale Attacken und wiederholte öffentliche verbale Hinrichtungen. „Transphobie“ ist in diesen Kreisen die neue Nazi-Keule, mit der alles brutal niedergemacht wird, was nicht ihrem Denken entspricht. Dem Denken einer kleinen Minderheit, wohlgemerkt, der es aber gelungen ist, mittlerweile massiven Einfluss zu nehmen und die Toleranz und Meinungsvielfalt immer mehr untergräbt und sachliche Diskussionen verunmöglicht.

Es liegt also einiges im Argen in unserer Gesellschaft. Wobei ich es nicht tragisch finde, wenn Menschen andere Überzeugungen haben als ich. Unterschiedliche Ansichten sind wichtig und notwendig, damit wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln. Diese Weiterentwicklung ist aber nur möglich, wenn wir miteinander im Gespräch bleiben. Sobald ein Diskurs von einer Seite aber verunmöglich wird, weil diese Seite sich selbst als moralisch überlegen, und alle anderen als moralisch unterlegen sieht, haben wir den Boden der freien, offenen und toleranten Gesellschaft verlassen und bewegen uns in Richtung eines autoritären Systems, in dem nur noch eine Meinung vertreten werden darf, und alles andere verboten ist. Meine große Sorge ist, dass zu viele das hochproblematische an dieser Entwicklung einfach nicht sehen wollen, weil diejenigen, die sie vorantreiben, ja „gute Anliegen“ haben. Das mag schon sein. Aber sobald selbst das beste und wertvollste Anliegen neben sich keine anderen Meinungen und Ansichten mehr zulässt, ist es nicht mehr gut, sondern zur Tyrannei geworden.