Sicherheitsabstand

Chronik meiner Leukämie – Ich und der Krebs

Ich weiß seit 20. September 2024 von meiner Diagnose Akute Myeloische Leukämie. Mir sollte nach mehreren Monaten eigentlich klar sein, was mit mir los ist. Trotzdem ist es für immer mich noch komplett schräg, dass ich Krebs haben soll. Obwohl ich mittlerweile drei Chemos hinter mir habe, die damit verbundene Schwäche, Zerschlagenheit und sonstigen unerfreulichen Zustände durchlebt habe und körperlich weit weg bin davon, wo ich vergangenen Sommer war.

Und trotzdem ist da von meiner Diagnose an bis heute ein seltsamer innerer Abstand zwischen mir und dem Krebs. Bevor ich zur ersten Chemo ins Spital bin hat in unserer Kirche1www.wunderwerk.wien eine Frau für mich gebetet, die vor etlichen Jahren Brustkrebs hinter sich gebracht hat. Im Gespräch meinte sie, sie habe sich nie mit dem Krebs identifiziert. Das kann ich sehr gut nachvollziehen, mir geht es genau so. Ich sage zwar der Einfachheit halber, dass ich Krebs „habe“. In mir drinnen sehe ich die Leukämie bis heute nicht als etwas sehe, das ich „habe“.

Mein Verhältnis zu meiner Leukämie würde ich so beschreiben: Sie ist etwas, das von außen über mich gekommen ist und mich hart getroffen hat. Etwas, das mich massiv beeinträchtig hat und unerfreuliche Therapien notwendig machte. Etwas, das versucht, sich von außen an mich zu krallen und mich zu zerstören. Aber nie als etwas, das ein Teil von mir ist. Ich habe von Anfang in meinem Innersten gewusst, dass es der Leukämie nicht gelingen wird, mir das Leben zu nehmen. Warum auch immer, war es Gnade, Intuition, Gehirnchemie, egal. Es war jedenfalls nichts, das ich aus mir selbst produziert habe. Dieser Optimismus war einfach da. In mir drinnen habe ich immer gespürt, dass zwar eine sehr harte Zeit vor mir liegt, danach werde ich aber wieder völlig gesund sein.

Mittlerweile ist das auch aus medizinischer Sicht so. Wenn ich meine Transplantation hinter mir habe und mich vom ganzen Prozedere rundherum erholt habe, werde ich wieder völlig gesund sein. Mein zweiter Geburtstag ist der 16. Jänner 2025. An diesem Tag bekomme ich – nachdem davor mein Knochenmark und damit auch der Krebs durch eine hochdosierte Chemo komplett zerstört wurde – meine neuen Stammzellen, die in meinem Körper ein komplett neues und krebsfreies Knochenmark bilden werden. Auf diesen Tag freue ich mir sehr. Mag die Chemo davor noch so hart sein, und die Erholung noch so lang dauern, ab dem 16. Jänbner bin ich den Krebs für immer los.

Übrigens sagen Onkologen2Ärzte, die sich auf die Behandlung von Krebs spezialisiert haben, dass beides – sich nicht mit dem Krebs zu identifizieren und an die Heilung zu glauben – einiges dazu beiträgt, dass Menschen den Krebs überwinden. Aus Erfahrung weiß man schon lange, dass Menschen mit einer positiven Lebenseinstellung (egal woher die kommt) deutlich öfter dauerhaft von Krebs geheilt werden als Menschen mit einer negativen Einstellung.

Das Schöne ist, dass ich mich seit etwa einer Woche überhaupt nicht mehr krank fühle. Natürlich bin ich körperlich weit weg davon, wo ich vor einem dreiviertel Jahr war. Gleichzeitig geht es mir aber deutlich besser als in den Wochen und Monaten davor. Ich fühle mich voller Kraft und Energie. Ich mache lange Spaziergänge, bin mit dem Rad zum Böhmischen Prater hinaufgefahren. Gut, die letzten 100m steil bergauf  musste ich schieben. Das wäre mir früher nie passiert, da wäre ich dieses Hügerl locker raufgefahren. Im Vergleich zu vor 2 Wochen ist diese Leistung aber echt erstaunlich, denn da wäre es völlig undenkbar gewesen, dass ich so weit bergauf fahren kann. Zu meinen ersten Ambulanzterminen im AKH Anfang November wurde ich mit dem Leihrolli vom Fahrtendienst chauffiert, weil ich die Strecke vom Haupteingang bis zur Ambulanz unmöglich zu Fuß geschafft hätte. Und jetzt marschiere ich eineinhalb Stunden und gehe locker flockig zehn Meter die Stiegen beim Arsenalsteg hinunter und  wieder hinauf.

Das wird sich bald wieder ändern. Die Vorbereitung zur Transplantation, die im Fachjahrgon ziemlich beschönigend „Konditionierung“ genannt wird und die Zeit nach der Transplantation, bis sich ein neues Knochenmark bildet und damit auch wieder neues, eigenes Blut, verlangt dem Körper viel ab und es wird lange dauern, bis ich mich davon erholt habe. Ich muss ein halbes Jahr Medikamente nehmen, die eine Abstoßung der neuen Stammzellen verhindern. Ich habe dann überhaupt keinen Impfschutz mehr, den muss ich über zwei Jahre Schritt für Schritt wieder aufbauen. Mein alter Impfpass hat dann nur noch musealen Wert. Arbeiten werde ich erst Anfang 2026 wieder können.

Und trotzdem freue ich mich auf die Transplantation. 2025 wird trotz aller damit verbundenen Härten für mich ein Jahr der Heilung und Wiederherstellung. Denn ab dem 16. Jänner (der wird in der Therapie sehr treffend „Tag Null“ genannt) bin ich meine Leukämie los und beginnt mein neues Leben ohne Krebs. In diesem Sinn freue ich mich auf 2025, denn dieses Jahr bringt mir im wahrsten Sinn des Wortes ein neues Leben. Wenn das kein Grund ist, zu feiern, dann weiß ich nicht…

Beitragsbild: Iowa Gold Star Military Museum