Also etwas zu meiner Person.

Ich bin heute glücklich verheirateter Familienvater, habe das Privileg, eine christliche Kirche leiten zu dürfen, wir haben eine schöne Wohnung, brauchen kein Auto und es geht uns insgesamt sehr gut. Das war nicht immer so. Meine Kindheit und Jugend waren alles andere als glücklich. Wir haben als Familie sehr aneinander gelitten. Mein Vater wurde 1926 geboren. Er war ein sensibler Mann. Er erlebte als Kind die Wirtschaftskrise und das Schuschnigg-Regime, seine Wohnhausanlage im 2.Bezirk wurde während der Februarkämpfe 1934 mit Kanonen beschossen.1Die 1930er-Jahre waren in Österreich insgesamt keine gute Zeit. Sie waren geprägt vom tiefen Trauma des Zerfalls der Monarchie, von der nur ein lächerlich kleines „Restösterreich“ geblieben war, die Gesellschaft war zutiefst gespalten, aufgrund der schweren Wirtschaftskrise herrschten Arbeitslosigkeit und große Not, es gab immer wieder Bombenanschläge durch illegale Nazis und das Schuschnigg-Regime war eine unsympathische und unfähige Diktatur, in der die halbe Bevölkerung politisch unterdrückt war weil sie SPÖ-Anhänger waren. Es war für viele ein Aufatmen, als Hitler das verhasste Schuschnigg-Regime endlich wegfegte. Als Jugendlicher kam dann die NS-Zeit und die schweren Bombardierungen ab 1943. Sein älterer Bruder, an dem er sehr hing, fiel im Jänner 1944 in Stalingrad. Er ging als junger Mann durch die Hungerjahre in Wien nach 1945 und musste sich in einem völlig zerstörten und besetzten Land eine Existenz aufbauen. All das hat es ihm sehr schwer gemacht, das zu leben, was Gott in ihn hineingelegt hat. Und trotzdem bin ich ihm heute unglaublich dankbar für das, was ich von ihm geerbt und gelernt habe. Er war ein außergewöhnlicher Mann, der ziemlich unbeeindruckt von gesellschaftlichen Normen seinen Weg ging, dem Familie wichtiger war als Geld, der meine Verrücktheiten als Teenager mit erstaunlicher Toleranz und Gelassenheit nahm, und der trotz allem immer an mich glaubte. Als Teenager habe ich ihn gehasst. Heute bin ich stolz und dankbar für alles, was er mir mitgegeben hat. Das alleine ist eines der größten Wunder, die Gott in meinem Leben vollbracht hat.

Wie ging es weiter:

Mit 19 Jahren entschied ich mich, meinen weiteren Weg mit Jesus zu gehen. Das hat mich durch völlig unterschiedliche Kirchen geführt. Aufgewachsen bin ich als Kind als aufrechter Evangelischer, im Bewusstsein, der „bessere“ Christ zu sein als die ganzen „Katholen“ mit ihrer „Heiligenanbetung“ und so. Mit 20 ging ich zuerst in eine evangelikale Freikirche. Damit war ich der noch viel bessere Christ, weil nicht mehr Teil der „lauen Amtskirche“. Meine nächste Station war eine ziemlich wilde Pfingstkirche, und nun war ich „am Gipfel“ angelangt. Als Top-Christ mit dem Heiligem Geist ausgestattet, den die Evangelikalen bekanntermaßen ja „nicht haben“. 1997 erlebte ich mein persönliches Ostern, wo mir Gott im tiefsten Inneren meines Herzens begegnete. Meine tiefe Selbstablehnung, meine Selbstzweifel, meine Zweifel an Gott waren plötzlich wie weggeblasen. Gott erfüllte mein Innerstes mit der Vaterliebe, die mir mein Leben lang gefehlt hatte, und damit war mit einem Schlag alles anders. Es war für meine Seele, wie wenn ein Körper mit starker spastischer Tetraparese sich plötzlich wieder völlig normal bewegen kann. Und dann ging es ab in die Wüste.

Meine Wüstenzeit:

Wie schon angedeutet war ich tief geprägt von einer ziemlich ungesunden Überheblichkeit. Mich selbst für den besseren Christen zu halten war mir zu der Krücke geworden, die mein fehlendes Selbstbewusstsein übertünchen sollte. Und genau diese Krücke zerbrach in dieser Zeit. Mein gesamtes Beziehnungsnetzwerk fiel auseinander. Ich schmiss Arbeit, Wohnung und die Kirche, die sowieso am Zerbrechen war hin, und flüchtete nach Leoben an die Montanuniversität, nur um dort festzustellen, dass aus mir nie ein Techniker werden wird. Ich flüchtete weiter in eine Beziehung, die sich als Desaster herausstellte. Nach fünf Jahren war die Beziehung zu Ende, weil sie nicht mehr zu retten war. Das einzig Gute aus dieser Zeit war mein beruflicher Wechsel in den Sozialbereich. Ernüchtert und erschüttert machte ich mich endlich wieder auf die Suche nach Gemeinschaft mit anderen Christen. Durch eine Kette bemerkenswerter „Zufälle“ landete ich in der Vineyard Wien, wo ich endlich mein spirituelles Zuhause fand.

Ankommen:

Was heißt „spirituelles Zuhause“? Unser Motto als Vineyard Wien ist: „Komm wie du bist!“ Genau so fühlte ich mich als ich 2004 in die Vineyard kam. Es war das erste Mal, dass ich mich in einer Kirche wirklich angenommen fühlte, ohne irgendwelche Vorbehalte. Für mich war es auch extrem wohltuend, in der Vineyard das Beste aus zwei Welten des reformierten christlichen Spektrums zu erleben: Von Evangelikaler Seite her der Schwerpunkt auf die Bibel als Richtschnur für alles was wir leben. Aber ohne dabei in ungesunden Legalismus zu verfallen. Und von pfingstlerisch-charismatischer Seite her der Schwerpunkt auf die Kraft des Heiligen Geistes, ohne daraus einen ungesunden Hype zu machen. Ich habe mich in den bodenständigen, bescheidenen und ehrlichen Stil dieser Bewegung verliebt und könnte heute in keiner anderen Kirche mehr sein (außer Gott sagt mir deutlich, dass ich das soll). Wo es nicht darum geht, „besser“ zu sein, sondern als eine von den heute vielen tausend Kirchen und Bewegungen der weltweiten Christenheit einfach nur unseren Teil dazu beizutragen, dass Menschen in Jesus Freiheit, Frieden und einen unvergänglichen Lebenssinn finden. Dass ich heute so eine tolle Kirche gemeinsam mit meiner Frau aktiv gestalten darf, empfinde ich als großes Geschenk.